Was ist kabelloses Laden für Elektrofahrzeuge?
Nikola Tesla stellte bereits 1895 eine Theorie zur kabellosen Energieversorgung auf. Auch wenn er es nicht mehr erleben konnte, wurde die kabellose Energieversorgung (oder das induktive Laden) 2012 mit der Veröffentlichung des Nokia 920 – dem ersten Smartphone mit integrierter kabelloser Ladefunktion auf dem Markt – endlich Wirklichkeit.
Wenn also Mobiltelefone, die ebenfalls Lithium-Ionen-Akkus verwenden, kabellos geladen werden können, warum dann nicht auch Elektrofahrzeuge (EVs)?
Legen wir los …
Was ist kabelloses Laden?
Beim kabellosen – oder induktiven – Laden wird Energie ohne Hilfe von Kabeln oder Drähten übertragen. Es ist umstritten, wann das induktive Laden zum ersten Mal zum Einsatz kam, aber die meisten Quellen verweisen auf das späte 19. Jahrhundert. Seitdem hat sich jedoch viel verändert, und es gibt inzwischen mehrere verschiedene induktive Lademethoden!
Die wichtigsten Methoden sind:
Ladepads – Ladung per eng gekoppelter elektromagnetischer Induktion
Ladeschalen – Ladung per lose gekoppelter elektromagnetischer Induktion
Ungekoppelte Hochfrequenz (RF)
Wie du vielleicht schon vermutet hast, ist das Schlüsselwort „elektromagnetisch“, und damit du verstehst, wie das Ganze funktioniert, erklären wir es einfach mit den Worten von Computer World:
Mit einer magnetischen Schleifenantenne (Kupferspule) wird ein schwingendes Magnetfeld erzeugt, das in einer oder mehreren Empfängerantennen einen Strom erzeugen kann. Wenn man die entsprechende elektrische Kapazität hinzufügt, damit die Schleifen auf der gleichen Frequenz schwingen, erhöht sich die Menge des induzierten Stroms in den Empfängern. Das ist induktive Resonanzladung oder magnetische Resonanz. Sie ermöglicht die Stromübertragung über größere Entfernungen zwischen Sender und Empfänger und erhöht die Effizienz. Auch die Größe der Spule nimmt Einfluss auf die Entfernung der Energieübertragung. Je größer die Spule bzw. je mehr Spulen beteiligt sind, desto weiter der Weg, den man mit einer Ladung zurücklegen kann.
Wie funktioniert das kabellose Laden bei Elektrofahrzeugen?
Obwohl wir Mobiltelefone nicht gerne mit Elektrofahrzeugen vergleichen (EV-Batterien halten viel länger), machen wir beim kabellosen Laden eine Ausnahme, denn der Prozess ist fast derselbe.
Während du dein Smartphone einfach auf ein kleines Ladepad legst, fährst du mit deinem Elektrofahrzeug einfach auf ein großes Ladepad. Wenn das Fahrzeug und das Ladepad kompatibel sind, beginnt der Ladevorgang innerhalb weniger Sekunden. Ähnlich wie bei Plug & Charge bräuchte diese Technologie einen „Mittler“ zwischen dem Fahrzeughersteller und der Ladestation, der zwischen beiden kommuniziert, den Ladevorgang startet/stoppt und korrekt abrechnet.
Genau das bietet Octopus Electroverse derzeit für Community-Mitglieder mit kompatiblem „Plug & Charge“-Zertifikat an.
Auf den ersten Blick wirkt das kabellose Laden von Elektrofahrzeugen jetzt natürlich ganz einfach – aber wie du weißt, ist das nie der Fall.
Wie wir später noch näher erklären, gibt es derzeit keine Standardisierung für das kabellose Laden von Elektrofahrzeugen. Das macht die Umsetzung ziemlich schwierig. Ein Beispiel für eine „etwas abweichende“ Standardisierung ist das Steckerdesign von Tesla – es unterscheidet sich völlig von dem anderer Hersteller. Deshalb müssen Tesla-Fahrer*innen einen Adapter verwenden, wenn sie bei anderen Anbietern laden. Zugegeben, das ist nicht das Ende der Welt, aber es ist auf jeden Fall ein Ärgernis und spricht für eine Standardisierung vor der Markteinführung.
Gibt es Pilotprojekte für das kabellose Laden von Elektrofahrzeugen?
Ja, es gibt weltweit mehrere Testversuche für das kabellose Laden – allen voran die Projekte von Genesis und Volvo:
Sprechen wir zuerst über Genesis:
Im April 2023 gab Genesis bekannt, dass das Pilotprojekt zum kabellosen Laden in Südkorea bereits in vollem Gange ist und im Juni 2023 abgeschlossen werden soll. Die Idee hinter dem Versuch war, die Praxistauglichkeit der Technologie zu erforschen und die Stolpersteine aufzuzeigen.
Während des Versuchs wurden in ganz Südkorea dreiundzwanzig Ladepads für die Fahrzeuge der Modelle GV60 und eGV70 installiert (einer davon am Hauptsitz von Genesis). Im Vorfeld wurden die Fahrzeuge mit einer Parksoftware ausgestattet, die den Fahrer*innen beim korrekten Einparken über der Ladestation hilft, damit der kabellose Ladevorgang beginnen kann.
Nach Abschluss des Versuchs im Juni 2023 gab es gemischte Reaktionen innerhalb des Genesis-Teams. Obwohl die Software und die Hardware für das kabellose Laden erfolgreich funktioniert haben, war die Ladegeschwindigkeit mit nur maximal 11 kW ein Problem.
Das würde bedeuten, dass ein Volkswagen ID.3 (77 kWh-Batterie) etwa 4,5 Stunden braucht, um von 20 auf 80 % zu laden.
Marc Choi, leitender Produktmanager von Genesis, hat schließlich entschieden, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist. Der Hersteller arbeitet nun weiter an schnelleren Ladegeschwindigkeiten, bevor das Produkt auf den Markt kommt.
Du solltest wissen, dass 11 kW nicht die langsamste Ladegeschwindigkeit ist, die es gibt – die meisten öffentlichen Ladepunkte (z. B. an Laternenpfählen) haben eine Höchstleistung von 3,5 kW. Bei allen öffentlichen Ladelösungen solltest du darauf achten, dass die Geschwindigkeit des Ladepunkts den Anforderungen deines Autos bzw. deiner Reise entspricht. Wenn du nur schnell 10 Minuten laden möchtest, solltest du den nächstgelegene Ladepunkt mit 100–350 kW suchen!
Dieses Pilotprojekt läuft bereits seit März 2022, aber im Gegensatz zu dem von Genesis ist es noch nicht abgeschlossen! Bis Mitte 2025 testet Volvo das kabellose Laden an den XC40 Cabonline-Taxis im schwedischen Göteborg und überwacht die Fortschritte.
Volvo hat zwar nicht bekannt gegeben, wie viele kabellose Ladepunkte für den Test installiert wurden, aber laut eigenen Angaben soll die Ladegeschwindigkeit bis zu 40 kW betragen – also fast das Vierfache der Geschwindigkeit von Genesis-Ladepunkten:
Die Ladestation sendet Energie durch das Ladepad, die von einer Empfangseinheit im Auto aufgenommen wird. Um das Auto einfach auf dem Ladepad auszurichten, setzt Volvo Cars sein 360-Grad-Kamerasystem ein. Für die vollelektrischen XC40 Recharge-Fahrzeuge wird die kabellose Ladeleistung mehr als 40 kW betragen. Damit ist die Ladegeschwindigkeit etwa viermal so hoch wie bei einem kabelgebundenen Wechselstrom-Ladegerät mit 11 kW und fast so schnell wie bei einem kabelgebundenen Gleichstrom-Schnellladegerät mit 50 kW.
Insgesamt werden die Fahrzeuge von Volvo mehr als 12 Stunden pro Tag genutzt und 100.000 km pro Jahr gefahren. Damit ist das Projekt auch der erste Härtetest für vollelektrische Volvo-Fahrzeuge in einem kommerziellen Nutzungsszenario.
Was sind die Herausforderungen beim kabellosen Laden von Elektrofahrzeugen?
1. Keine einheitlichen Standards für kabelloses Laden
Das ist vermutlich die größte Herausforderung. Solange es keine Standards für das kabellose Laden gibt, ist das Thema mit Vorsicht zu genießen. Standardisierung bedeutet, dass die Hard- und Software zukunftssicher gemacht werden muss, damit sie für alle Elektrofahrzeuge geeignet ist – nicht nur für bestimmte Marken und Modelle.
2. Langsamere Ladegeschwindigkeiten
Momentan liegt die Höchstgeschwindigkeit für das kabellose Laden bei 40 kW, was ausreichend schnell ist. Da andere kabelgebundene Ladegeräte jedoch bereits 350 kW erreichen, muss die kabellose Alternative schneller werden.
3. Teuer in der Herstellung
Obwohl Genesis und Volvo keine Angaben zu den Kosten des kabellosen Ladens gemacht haben, ist davon auszugehen, dass die Technologie teurer in der Herstellung (und möglicherweise in der Wartung) ist. Das könnte bedeuten, dass auch längere Produktionszeiten anfallen.
Was hält die Zukunft des kabellosen Ladens für Elektrofahrzeuge bereit?
Obwohl das kabellose Laden von Elektrofahrzeugen definitiv in greifbarer Nähe liegt, wird es noch einige Jahre dauern, bis es marktfähig ist.
Es ist wichtig, dass neben dem laufenden Volvo-Projekt – und es werden sicherlich noch weitere folgen – weitere Tests durchgeführt werden und gleichzeitig eine Standardisierung erarbeitet wird, um das Konzept zukunftssicher zu machen.
Es bleibt spannend …
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